
Eine besondere Rolle in der wirtschaftlichen Bedeutung des Handwerks spielten die Schuhmacher. 1820 wohnten neben 9 Schneidermeistern 20 Schuhmachermeister in Dahlenburg.
Die Ausbildung der Lehrlinge war schon im 17./18. Jahrhundert genau vorgeschrieben. Gemäß Verordnung von 1732 Punkt XXIII hieß es: ,,Die Meister sollen solche Lehr-Jungen nicht allein mit allen Fleiß und gründlich unterweisen, sondern Christlich und Vernünftig tractieren, nicht aber mit unverdienten oder auch übermäßigen Schlägen und anderen Lavitien demselben zusetzen, und dadurch die Lehr-Jahre zu verlaufen nöhtigen, noch auch solche Jungen mit übermäßiger Haus- und Feld-Arbeit also, daß sie dadurch an Tüchtiger Erlernung des Handwerks gehindert werden." ,,Es sollen XXV, die angenommenen Jungens zum wenigsten 3 biß 4 Jahr dies Handwerk lernen und wenn ein Junge solche seine 3 biß 4 Lehr-Jahre ausgehalten, soll er in Gegenwart der Ambts-Meister und Gesellen loßgesprochen, jedoch alle bisher dabey unehrbare ärgerliche ja Theils gottlose Formalitäten, Actiones und Reden bey Vermeydung ernster Bestrafung gäntzlich eingestellet, dann auch dem als Loßgesprochenen wegen Bewirt- und Beschenkung der Meister und Gesellen keine Unkosten gemacht werden." (26)
Für die Gesellenprüfung stellte der Lehrling her gem. Prüfungsordnung v. 18. Nov. 1839 ,,Ein Paar zugeschnittene Manns- oder Frauenschuhe".
Nach der Lehre begann die Wanderzeit des Gesellen. Nach einer Verordnung vom 24.4.1833 gehörte dazu ein Wanderbuch, in dem Name, Geburtsort, Wohnort, Beruf und eine genaue Personenbeschreibung eingetragen wurde. Aus dem ,,Wanderbuch für Heinrich Carl Goosmann.." von 1850 erfahren wir folgende Vorschriften:
1. ,,Der Inhaber dieses Wanderbuchs muß in hiesigem Lande an jedem Orte, wo er sich zweimal 24 Stunden aufhält, sich bei der Polizei - Behörde melden und sein Wanderbuch von derselben visiren lassen.
2. Die Visa´s der Wanderbücher werden gratis ertheilt.
3. Der Inhaber darf an den Orten, wo er keine Arbeit findet, sich nicht länger als zweimal 24 Stunden aufhalten.
4. Die in dem Wanderbuche vorgeschriebene Route darf er ohne ausdrückliche Erlaubnis der betreffenden Behörde nicht verlassen.
5. Bei Gefängniß-Strafe ist ihm das Betteln und zwecklose Umherziehen untersagt.
6. Die Annahme eines falschen Namens, der Gebrauch eines fremden oder verfälschten Wanderbuchs, Rasuren, Ausstreichungen, oder jede andere Verfälschung wird mit der gesetzlichen Strafe belegt." (27)
Die Wanderzeit durfte nicht über 5 Jahre ausgedehnt werden, und der Geselle wurde verpflichtet, sich in den Orten sofort bei den Polizeibehörden zu melden und nicht ,,zwecklos im Lande hin- und herschweifen". Sinn und Ziel der Wanderschaft war, sich in seinem Beruf zu vervollkommnen. So wanderte Heinrich Goosmann zuerst nach Lüneburg, Bleckede, über ,,Winsen nach Hamburg in 2 Tagen", ,,Gut über Nordhausen nach Marburg in zehn Tagen", von Marburg landete er weiter in Münden, ,,Cassel, gut nach Göttingen." ,,Über Seesen nach Braunschweig in vier Tagen", ,,Gesehen und gültig zu Reise nach Hannover über Peine," wieder Lüneburg, dann Hannover und schließlich nach 5 jähriger Wanderschaft zurück in die Heimat. Wie Goosmann in seiner Familienchronik berichtete, lernte er in den Städten vor allen Dingen feine Damenschuhe und Reitstiefel herzustellen.
Die Anzahl der Schuhmachermeister regelte das Gesetz. Für die Orte bedeutete das, daß die Regierung in Hannover die Anzahl der Meister festsetzte. Da sich im Laufe der Zeit die Einwohnerzahlen im Herzogtum, wie auch in anderen Ländern erhöht hatten, stiegen auch die Zahlen der Handwerksbetriebe nach einer Verordnung König Georg III. So mußte die Schustergilde in Dahlenburg 20 Meister zulassen. Am 5. März 1800 erhob die Gilde gegen die ,,Vermehrung der Meister" Einspruch, und zwar reisten die ,,Alterleute Gooßmann und Neukirch" nach Hannover und trugen ihre Einwände vor, doch ohne einen Erfolg zu erzielen.
Die Alterleute, die Vorsteher der Gilde, wurden von den Meistern gewählt, und sie vertraten die Gilde in allen Rechtsfragen. Am 10.4.1815 hielt eine Akte fest:
,,Die Alterleute und Ladenmeister der Schumachergilde hieselbst, Wilhelm Neukirch und Friedrich Gooßmann nebst denen beiden Schuhmachermeistern Peter Wickstrumpf und Peter Steinfeld" erschienen vor dem Magistratsgericht und baten um Genehmigung, ,,daß die Alterleute beeidigt würden". ,,So mußten vorgenannte Alterleute den Eid folgendermaßen nach vorgängiger Warnung vor dem Meineide" leisten:
,,Wir geloben und schwören zu Gott und auf sein heiliges Wort, daß wir unser Amt als Alterleute und Ladenmeister mit allem Fleiße nach den uns bewußten Privilegien mit aller Treue verrichten und dahin sehen wollen, daß immer bey unserm Amte nach den Vorschriften unsers Privilegi gehandelt werde, auch daß überall ohne Vorwissen unserer Obrigkeit keine Kundschaft ausgestellt werden, und wir in allen Stücken so handeln und thun wollen, wie es guten getreuen Alterleuten zustehet und gebühret. So wahr uns Gott helfen wolle und sein heiliges Wort." (28)
1844 richtete das Schuhmacheramt Uelzen die Bitte an das Schuhmacheramt Dahlenburg, sich wie andere Orte im Herzogtum für die Herabsetzung der Personen- und Gewerbesteuer der Schuhmacher einzusetzen. 1846 schickte man eine Eingabe an ,,Die hohe allgemeine Ständeversammlung des Königreichs Hannover", aus der die wirtschaftliche Situation der Schuhmacher hervorging und begründete damit die Bitte um Minderung der Steuern:
Wöchentlich konnte ein Schuhmacher 2 Paar Stiefel und 1 Paar Schuhe herstellen. Für
1 Paar Stiefel erwarb er 2 rth 8 ggr bis 2 rth l2 ggr
1 Paar Schuhe 1 rth
Auf dem Markt bekam der Schuster für
1 Paar Stiefel 1 rth 12 ggr und für
1 Paar Schuhe 20 ggr (29)
Das Geld erhielt er zwar bar, deckte jedoch nicht die Unkosten. Er wurde genötigt, die Ware auf den Märkten zu verkaufen, da er bei ,,bestellter Arbeit oft sehr lange warten muß," auf das Geld natürlich. Von den erzielten Preisen gingen als Unkosten die Löhne der Gesellen ab und das Geld für das Leder. Auch der Schuster, der eine eigene Lohgrube besaß, verdiente nicht viel mehr, da die Konkurrenz der Lohgerber mit niedrigen Preisen lockte. Steuerlich wurde der Schuster, der 10 Häute gerbte, gleichgesetzt mit dem Lohgerber, der 50 Häute behandelte. ,,Der fleißige Schuster verdient in einer Woche 1 rth 4 ggr. Dagegen verdient der Tagelöhner im Sommer die Woche 2 rth und im Winter 1 rth 12 ggr und zahlt dafür nach dem Steuergesetz vom 21. Okt. 1834 in die niedrigste 12. Classe der Personensteuer, während der Schuster ohne Gehilfen die Personensteuer der höheren 11. Classe und außerdem die Gewerbesteuer der 11. Classe bezahlen muß."
Viele Meister würden gerne, wenn es ginge, lieber Tagelöhner werden, denn die ungerechte steuerliche Veranlagung und der große Konkurrenzkampf verringerte die Arbeitslöhne.
Vorschlag der Gilden kleinerer Städte und Flecken:
,,Der Schuster, der zum Betrieb seines Gewerbes eine Lohgrube hält, steuert dafür in der Gewerbesteuer nicht eine Klasse höher. Der Schuster
ohne Gehilfen steuert in die 12. Klasse der Personen- u. Gewerbesteuer
mit 1 Gehilfen steuert in die 11. Klasse der Personen- u. Gewerbesteuer
mit 2 Gehilfen steuert in die 10. Klasse der Personen- u. Gewerbesteuer
mit 3 u. 4 Gehilfen steuert in die 9. Klasse der Personen- u. Gewerbesteuer
mit 5 u. mehr Gehilfen steuert in die 8. Klasse der Personen- u. Gewerbesteuer" (30)
Die Regierung in Hannover mit ihren Unterbehörden, der Landdrostei in Lüneburg und dem Königlichen Amt in Bleckede, paßte auch auf, daß die Zahl der Meister nicht überschritten wurde. Sie lehnte mit einem Schreiben vom 8. Oktober 1816 das Gesuch der Witwe des Schustermeisters Böttcher ab, dem Schustergesellen Thiele die ,,Freimeisterschaft" zu erteilen, da dem ,,bei der ohnehin großen Anzahl der Schuster zu Dahlenburg nicht stattgegebenwerden könnte". Oder am 29. Juli 1814 verfügte Hannover, daß sich der Schustergeselle Christian Schenk als Meister ansetzen dürfe, wenn er ,,ein tüchtiges Meisterstück verfertigt", doch ohne Gesellen und Gehilfen bleibe, solang die ,,hochbetagten Eltern" lebten. Erst nach deren Tod konnte er in ,,die Zahl der Meister" eingereiht werden, ,,welche Gesellen und Lehrburschen halten dürfen".
Bevor die Aufnahme eines Schusters in die Gilde geschah, mußte er das Bürgerrecht erlangen und ein Meisterstück angefertigt haben. Eine Verordnung von 1840 schrieb folgende Anfertigungen vor: ,,Ein Paar Stiefel, Mannsschuhe und Frauenschuhe!" Meister überwachten die Arbeiten und prüften die Schuhe. Eine Prüfungskommission von 1849 zur Prüfung des Meisterstücks des Schustergesellen Christian Peter Nilson Wickströhm setzte sich aus folgenden Meistern zusammen:
"1. Meister Carl Schenk 2. Meister Wilhelm Sühl
3. Meister Friedrich Hoyer 4. Meister Meyer" (31)
Nach den Statuten durften bei einer Vermeidung von 10 Talern Strafe die Prüfer nicht bewirtet werden.
Gemäß einer Verfügung der ,,Königlichen Regierung in Hannover" vom 22. Mai 1822 konnten die Söhne ansässiger Schuhmachermeister, die bereits eine Werkstatt im Hause hatten, das Meisterrecht erwerben, auch wenn die Gilde vollzählig, also geschlossen war. Das besagte zu dieser Zeit, daß 20 Werkstätten arbeiteten, während die Zahl der Meister höher lag. Schwiegersöhne bekamen auch das Meisterrecht, da sie ja durch die Heirat in den Besitz eines Bürgerwesens gelangten. Genaue Übergabeverträge verpflichteten Söhne und Schwiegersöhne den Eltern, das Altenteil zu gewähren. Dazu gehörte neben freier Wohnung und Heizung, vollständige Beköstigung, Kleidung und Taschengeld, die Pflege im Alter und bei Krankheit.
Für die Meisterprüfung bezahlte der Prüfling Gebühren. Die Regierung hatte diese Gebühren einheitlich vorgeschrieben, gemäß Erlass vom 28. Februar 1769. Sie diente der Bereitstellung des Arbeitsplatzes und der Instrumente, der Anfertigung des Meisterstückes. Die Dahlenburger Gilde hatte die Gebühren höher gesetzt, und daher beschwerte sich der Schustergeselle Bahlke beim ,,Königlichen Amt" in Bleckede. Das Amt teilte der Gilde mit, daß sie nicht berechtigt sei, die Gebühren zu erhöhen und mehr als die festgesetzten 12 Taler zu fordern. So wandten sich dann am 22. März 1849 die Meister Carl Schenk und Christoph Seedorf aus Dahlenburg, Vorsteher der Schuhmachergilde, mit einem Schreiben an das Amt in Bleckede, in dem sie ihre Forderungen, die, wie sie erwähnten, seit mehr als 40 Jahren von der Obrigkeit geduldet, von den eingetretenen Gildemeistern entrichtet wurden, begründeten:
Die Gilde in Dahlenburg verlangte von den angehenden Meistern folgende Gebühren:
1. 5 Taler für das Zuschneiden
2. 10 Taler für das Meistenirerden
3. 2 Taler für die Besichtigung des Meisterstückes
5 + 2 Taler galten als Entschädigung für die Vorsteher, die Platz und Werkzeuge hergaben und wenigstens 8 Tage ihr eigenes Geschäft versäumten. Die anderen Gebühren, 10 Taler, wurden in die Amtslade gezahlt zur Unterstützung kranker Meister.
Ferner steuerte die Amtslade in Sterbefällen bei einem Meister 12 Taler - bei einer Ehefrau oder Witwe eines Meisters 10 Taler zu. Die Meister führten weiter an, daß jedem Mitglied der Gilde auch die gleichen Leistungen zuständen. Wenn Bahlke nicht die höheren Gebühren zahlte, ,,würde er sich offenbar auf Kosten der übrigen Meister bereichern". Das ,,Königl. Amt" wurde gebeten, darauf zu dringen, daß Bahlke in die erhöhten Gebühren einwillige.
Als nach 1820 Hannover die Zahl der Meister auf 32 erweiterte, versuchten auch auswärtige Gesellen, das Bürgerrecht und den Meisterbrief zu erwerben. Bekamen sie das Bürgerrecht, genehmigte das ,,Königl. Amt" in Bleckede die Zulassung zur Erwerbung des Meisterrechtes, während die Schustergilde sich oft sträubte, eine Zulassung zur Meisterprüfung zu vollziehen. So geschah es immer wieder, daß das Amt bei Androhung von einer Geldstrafe eine Zulassung anordnete mit dem Hinweis, daß die Gilde erst bei 32 Meistern geschlossen wäre. Mit Recht befürchteten die Schuhmachermeister, daß sie immer weniger verdienen. Am 7. März 1844 baten daher die Alterleute der Schuhmachergilde die ,,Königl. Landdrostei in Lüneburg," die Zahl der zuzulassenden Gildemeister vgn 32 auf 22 zu senken und auch die Bevorzugung der Meistersöhne aufzuheben. Das Amt wies den Antrag ab. Die Gilde trachtete nun ihrerseits danach, Anträge auf Aufnahme in die Gilde mit der verbundenen Meisterprüfung zu verhindern oder wenigstens zu verzögern; dies gelang meistens. Auswärtige und dann eingebürgerte Gesellen hatten es besonders schwer, Meister zu werden. Immer wieder richtete die Gilde im Laufe der Jahrzehnte Anträge an das Amt, in denen sie um Herabsetzung der Zunftmeister bat.
,,Es sind in Dahlenburg 28 Schuhmacher Meister, eine Meisters Wittwe welche zwar in Nahrendorf ihr Handwerk betreibt - 2 Conditionmeister und 1 Altflicker, daß sind schon 32 das Handwerk treibende Schuhmacher, hierunter sind 6 Alte Meister welche ihre Werkstelle zwar an Söhne abgegeben aber dennoch ihr Handwerk treiben und dazu noch rings um Dahlenburg auf den Dörfern Conditionmeister welche uns unsere Nahrung schwächen.
Es sind am 21. Februar d. J. 2 Meister geworden Namens Burmeister und Ulrich weil selbige die Freiheit von die Landdrostey hatten, und jetzt haben sich schon 5 wieder bei uns zum Meister werden gemeldet, weil es heißt die Landdrostey hat befohlen, es sollen 32 das Handwerk wirklich betreibende Meister sein. Nach solchem Verständniß werde die Landdrostey uns noch 10 Meister zu setzen.
Bei Übernuß an Schuhmacher hieseibst sind wir bisher gezwungen gewesen schon 3 oder 4 Meilen auf Margte von uns unsere Nahrung zu suchen, wo wir bei die erforderlichen Reisekosten unser Brodt kaum Nothdürftig haben. Wem also die Landdrostey auf dero Bestimmung beharret, so ist unglaublich daß wir uns alle ernähren können und würden viele verarmen müssen weil in Dahlenburg nur 96 Feuerstellen wo also jetzt schon in jedes 3te Haus ein Schuhmacher gerechnet werden kann. In solcher meinung stimmt auch unsere Magistrat mit ein.
Unsere Wünschen wären also
Daß kein anderer zum Meister angenommen werde als
1. Wenn eines Meisters Sohn seines Vaters Werkstelle vertreten und seine Eltern darauf Ernähren muß
2. Wenn eine Wittwe eines Meisters wieder Heirathen und ihres verstorbenen Mannes hinterlassene Lasten mit diesem Handwerk bestreiten muß." (32)
Dieses 1861 verfaßte Schreiben erzielte wie seine Vorgänger und Nachfolger keine Änderung. Die wirtschaftliche Lage der Schuhmacher verschlechterte sich, als sich auf dem Lande sogenannte ,,Landmeister" niederließen. Sie erhielten zwar nur die Genehmigung, ihre Ware in ihrem Wohnort abzusetzen, dabei gingen jedoch diese Käufer den Dahlenburgern verloren. Sie wanderten über Land und kämpften oft um die Öffnung der Märkte in den anderen Städten. Es kam dabei immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und zur Beschlagnahme der Waren in Dahlenburg wie in den anderen Orten des Fürstentums.
Schon 1657 hatten sich Lüneburger Schuhmacher beschwert, daß die Dahlenburger sich weigerten, ihnen auf den Jahrmärkten Stellplätze zuzuweisen. Als ein Lüneburger einen Markt in Dahlenburg beschickte, beschlagnahmte man 30 Paar Schuhe und zwang ihn, den Markt zu verlassen.
Die Dahlenburger Schuhmacher beschwerten sich oft bei den Ämtern, daß man ihnen schlechte Stellplätze zuweise, so daß sie ihre Ware nicht absetzen könnten. Um ihren Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen, baten sie den Vogt oder Bürgermeister um Hilfe. So schrieb z.B. Uhthoff an den Amtsvogt Meyerhoff zu Medingen:
,,Hochgeschätzter Herr College!
Auf Ansuchen und Namens der hiesigen Schumachergilde übermittle ich Ihnen ein älteres Actenstück, wodurch die Gilde glaubt, darthun zu können, daß sie hinsichtlich des Standes auf dem Himberger Markte einen über so guten Platz als die Uelzener Schusterinnung beanspruchen könne, da nur in der Wirklichkeit dieses nicht der Fall sei, indem die Uelzener die oberen und besseren P1ätze in zwei Reihen, den Dahlenburgern aber die unteren Stände und zwar im Sande zugetheilt wären, so geht die Bitte der Dahlenburger an Sie dahin, die Einteilung der vesp. Marktstände dergestalt treffen zu wollen, daß die Uelzener Schuhmacher für sich eine ganze Reihe, die Dahlenburger dagegen das vis a vis derselben bildeten, und erlaube ich mir, obiges Ansuchen hiedurch so freundlichst als gehorsamst zu unterstützen und falls die Sache nicht ihre besonderen Schwierigkeiten haben sollte, von Ihnen geneigte Gewährung unsers Wunsches vertrauensvoll zu gewährtigen."
Das Amt Medingen forderte die Dahlenburger auf, am Markttage sich ,,Morgens frühzeitig daselbst einzufinden, um die Abenderung ihrer Marktstellen vorzunehmen". (33)
Nicht immer einigten sich die streitenden Parteien, und das Amt mußte die Schlichterrolle übernehmen. Es beklagte sich Jürgen Bergmann beim Amt in Bleckede, daß ihm das Schusteramt in Dahlenburg 10 Paar hölzerne Pantoffeln beschlagnahmt hätte, und er verlangte ihre Herausgabe. Man beschuldigte ihn, für die Pantoffeln neues Leder verwendet zu haben, und da er ,,Altflicker" wäre, dürfe er nur altes Leder verwenden. Bergmann entschuldigte sich mit Unwissenheit und erklärte sich bereit, die Pantoffel an die Armen zu verteilen. Bergmann hatte eine Halbbürgerstelle gekauft, und da er zu der Zeit Pantoffel mit altem Leder bezog, hatten die anderen Meister nichts gegen seine Tätigkeit einzuwenden. Doch als er für seine Arbeiten neues Leder verwandte, beriefen sich seine Kollegen auf ein ,,churfürstl. Privileg vom 28. Febr. 1769", das besagte, daß keinem Altflicker erlaubt wäre, neues Leder zu verarbeiten. Bergmann wurde die Konzession 1806 entzogen, und man verurteilte ihn zu 10 rth Strafe.
Streitigkeiten dieser Art, Anzeigen und Beschwerden von Betroffenen, Verbote und Schlichtungen durch das Amt fanden immer wieder im Laufe der Jahrhunderte statt. Man stritt miteinander um die Konzession und um die Aufnahme in die Gilde mit dem eigenen Amt, mit anderen Ämtern z.B. um die Öffnung der Märkte, um bessere Stellplätze und mit ,,ausländischen Schustern", die ihre ,,liederliche Ware" an den Türen der ,,unwissenden Landleute" anbieten. Die Ware war oft viel billiger, da die Händler Schuhe aus schlichtem Leder verkauften, wie z.B. die Boitzenburger, die ihr Schuhwerk aus Roß- und Schafleder herstellten. Die Dahlenburger nannten daher deren Ware schlecht und liederlich, und sie versuchten, die ausländischen Schuster, gemeint waren vorwiegend die Mecklenburger, von ihren Märkten fernzuhalten. Sie lockerten das Verbot, als man ihnen erlaubte, die Jahrmärkte in Mecklenburg aufzusuchen.
Die Auseinandersetzungen gingen bis ins 19. Jahrhundert hinein. In der Geschichte Dahlenburgs registrierte man sie als ,,Schusterkrieg", während die Nachbarn den Ort als Schusterburg bezeichneten. (34)
Rechtsnachfolgerin der Schuhmachergilde wurde 1887 die Schuhmacherinnung. Die Gildemeister blieben als Innungsmeister auch Inhaber eines Kirchenstuhles; dafür zahlte die Innung pro Lehrling 2,50 M Wachsgeld in die Kirchenkasse. Da jedoch die Zahlungen seit 1887 ausblieben, hatte der Kirchenvorstand 1889 den Stuhl an ,,Höfebesitzer" Block, Dahlem, weitervermietet. Die Schuhmacher wiesen darauf hin, daß sie das sog. Wachsgeld dem Rechnungsführer der Kirchengemeinde, Ferdinand Buhlert, angeboten hätten, als einige Lehrlinge Gesellen geworden waren und daß dieser es nicht angenommen hätte, so daß sie keine Schuld trügen. Sie deuteten darauf hin, daß der Kirchenvorstand nicht die Aufgabe hätte, ,,ein Recht auf Benutzung eines Kirchenstuhles aufzuheben" und kennzeichneten den Stuhl ,,als den einträglichsten, welcher in der Kirche existiert". (35) So wären in einem Jahr von 10 Lehrlingen, die Gesellen wurden, nachweislich 25 M gezahlt worden.
Zu einem alten Schuhmachergeschlecht gehörte Familie Goosmann (Gosmann), die 1965 ihren Betrieb aufgab.
Um 1700 wanderte ein Schustergeselle Gosmann aus der Gegend von Boitzenburg in Dahlenburg ein. (Familienchronik)
Sohn Johann Friedrich heiratete Elisabeth Schenk und übernahm die väterliche Werkstatt. Als ,,Schuster-Amtsmeister Friedrich Gosmann" traten er und sein Kollege Christoph Bartels als Zeugen auf, als Hans Heinrich Sander den Bürgereid am 2. Okt. 1787 leistete.
Sohn Georg-Wilhelm, 1795 geboren, legte 1817 den Bürgereid ab im Beisein der Zeugen Schuhmachermeister Wilhelm Neukirch und Friedrich Gosmann. Er hütete die Überlieferung der Väter und blieb dem Schuhmacherhandwerk treu wie seine Nachfahren.
1895 eröffnete Carl Goosmann neben seiner Werkstatt einen Schuhladen, den sein Sohn Emil, verheiratet mit Margarete Tiedemann, von 1931 bis 1965 führte. Mit der Aufgabe des Geschäftes endete eine 265-jährige Familientradition.
Während 1932 noch in 10 Werkstätten Schuhmacher arbeiteten, besteht heute nur ein Betrieb. Ihn führt Albert Dau und Ehefrau Christa, geb. Brauel. Schon Großvater Carl Dau besaß Ende des 19. Jahrhunderts eine Schumacherwerkstatt. Er freite die Bürgertochter Elisabeth Stute und erstand Land, um das Bürgerrecht zu erwerben (1888). Sein Schwiegervater kaufte für das junge Paar ein Haus in der Burgstraße. Sohn Albert legte 1927 die Meisterprüfung ab und übernahm nach dem Tode des Vaters 1928 den Betrieb. 1932 heiratete er Wilma Rosseburg. Seine Betriebsführung fiel in die Zeit des Nationalsozialismus, und die Behörden bereiteten ihm Schwierigkeiten. So versteckte er vor Ausbruch des Krieges seine Maschinen, da eine Beschlagnahme drohte.
1938 wurde er zum Militärdienst eingezogen, und seiner Frau teilte man nach Einführung der Bezugsscheine die Schuhe in kleinen Mengen zu, so daß die Familie von dem Verkauf nicht leben konnte. Erst als Albert Dau, nun Soldat in Lüneburg, vorstellig wurde, prüfte man die Angelegenheit und lieferte dem Geschäft größere Mengen Schuhe. Ende des Krieges gaben die Lüneburger Lieferanten sogar die Marke ,,Jedermann" ohne Bezugsscheine heraus, berichtete Wilma Dau.
Das nun bald 100-jährige Bestehen der Werkstätte ist gesichert, da Sohn Jürgen, gelernter Orthopädie-Schuhmacher, das Erbe der Väter antreten wird.