Previous PageNext PageTable Of Contents../index.htm


1.1.9 Dahlenburg während des Kaiserreiches 1871-1918

In Dahlenburg, nun Landkreis Bleckede, hatte am 1. Januar 1875 Bürgermeister Uhthoff abgedankt und Kaufmann Adolf Soltau die Nachfolge angetreten. Am 1. Februar des gleichen Jahres übernahm er die Aufgaben eines Standesbeamten. Nach der Reichsgründung 1871 hatte Reichskanzler Otto von Bismarck 1874 die Einführung der Standesämter in Preußen 1875 im ganzen Reichsgebiet angeordnet. Als Standesbeamter vollzog Soltau auch die bürgerliche Eheschließung. In seine Amtszeit fiel die Ausbesserung des Marktbrunnens. Er lag auf der Ostseite der Johanniskirche. Aus dem heute zugeschütteten Brunnen schöpften der Küster, Kaufmann Kamin, Tischler Hartmann, Rademacher Christian Rieckens, Schuster Ullrich, Schuster Stehr und Postverwalter Heydorn regelmäßig ihr Wasser. Sie mußten 1878 zur Ausbesserung des Brunnens 1/3 der Kosten tragen, während die Kirchengemeinde 1/3 für die Küsterei bezahlte und das letzte Drittel der Magistrat übernahm. Für die Zukunft einigte man sich, daß die ..Cämmerei-Kasse.. die Unterhaltungskosten trug. Im Mai 1884 begann die Straßenpflasterung im Ort.

Am 1. Januar 1887 folgte Postspediteur Ernst Buhlert Soltau im Amt, und am 1. März nahm er auch die Arbeit eines Standesbeamten auf.

Zwischen der Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 zeichnete sich in Dahlenburg ein gewisser Wohlstand ab. Man gründete Vereine, pflegte die Geselligkeit an Stiftungsfesten, ,,dazu kamen für den Winter sechs Konzerte, die bei Masson (Deutsches Haus) und Rose von den Regimentskapellen der Lüneburger und Ludwigsluster Dragoner gegeben wurden."

Eine rege Bautätigkeit begann, sie brachte Aufträge und Arbeit. Nach dem Schulbau folgte der Bau der Johanniskirche, und unter anderen errichteten neue Häuser Schlachtermeister Krüger, Schmiedemeister Albert Heyden, Zahntechniker Steinbeck, Gastwirt Kurlbaum, Müllermeister Niebuhr und die Hasenburger Brauerei, die Molkerei, das E-Werk, die Molkerei Strampe und die Post. (Aufzeichnungen von Hofmeister)

Am 1. August 1914, nachmittags um 17.30 Uhr, klingelte der Morseapparat im hiesigen Postamt und verkündete die Mobilmachung. Schon drei Stunden später rückten Bäckermeister Främcke, Molkereiverwalter Westphal, Kraftwagenfahrer Heinrich und Bäcker Ernst Griebau in ihre Garnison ab. Als Freiwillige meldeten sich sofort Gustav Oerzen, Fritz Krümmel, Richard Rabeler, Schüler Wilhelm Mennerich, Schüler Ernst Huter. In den nächsten Monaten folgten weitere Freiwillige und Reservisten, ca. 600 Mann zogen aus dem Kirchspiel ins Feld. Alle hofften, Weihnachten wieder zu Hause feiern zu können.

Die Versorgung der durchfahrenden Truppen auf dem Bahnhof übernahmen Tag und Nacht Frauen aus Dahlenburg, Mitglieder des Roten Kreuzes. Sie erfreuten die Soldaten mit Tabak, Zigarren, Zigaretten, Schokolade, Pralinen, aber auch mit Handtüchern und Seife, mit Eßgeschirr und Briefpapier und a. m. Die Einwohner Dahlenburgs und der Dörfer hatten diese Sachen für diesen Zweck gespendet. Die Opferfreudigkeit der Bevölkerung währte auch weiter, man packte zu Weihnachten mit den gespendeten Gaben, darunter von den großen Mädchen der Schule aus Wolle gestrickte Strümpfe, Leibbinden, Brustschützer, Kniewärmer und Handschuhe, Pakete, die an die Front gingen. Man spendete Wollsachen und ,,ebenso wurden ungezählte Pfunde Leinen geschenkt, die von den Kindern zu Charpie verarbeitet, dem Frauenverein zur weiteren Verwendung überwiesen wurden." Charpie, zerzupfte Leinenfäden, dienten als Tupfer zur Wundbehandlung. (32)

Um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, hatte der Bundesrat in Berlin 1914 Verordnungen erlassen, die im ganzen Reich befolgt werden mußten. Danach bestand z. B. ein striktes Verbot, Roggen und Weizen an das Vieh zu verfüttern. Die Bäcker mußten dem Teig aus Weizenmehl Roggenmehl zusetzen und dem aus Roggenmehl Kartoffelmehl. Um die Mehlvorräte zu strecken, sah die Verordnung 20 % und mehr Zusätze vor, wie Menke berichtete. ,,Bäckermeister Kampf machte die Erfindung, daß ein Zusatz von 25 % Runkelschnitzel, gedorrt, schmackhafter und vorteilhafter sei." (33) 1915 erhielten die Selbstversorger Mahlkarten; sie durften im Monat pro Person 9 kg mahlen lassen. Die Nichtselbstversorger konnten wöchentlich pro Person ein 5 Pfund Brot zu 1,10 M mit Brotkarte kaufen. Die Feinbäckerei hörte auf. Menke beklagte, daß die Städte im Sommer Schweine aufkauften, sie unsachgemäß verarbeiteten, so daß Millionen Verluste entstanden.

Die Behörde setzte schließlich Höchstpreise fest und rationierte auch Fleisch, Milch und Brotgetreide, um Wucherpreise zu verhindern.

1915 zahlten die Verbraucher in Dahlenburg für

Trotz verschärfter Kontrollen durch die Behörden, trotz Bestrafungen umging man die Höchstpreise, hielt Vorräte vom Markt fern. Zuständig für die Versorgung der Bevölkerung war das Kriegsernähungsamt, das betraute ,,mit seiner Aufgabe die Landeszentralbehörden, d. h. die Minister der Bundesstaaten, diese die Provinzialbehörden, die den Landrat und der Landrat die Kommunalverbände", d. h. die Gemeinden.

Die Schulkinder halfen beim Einbringen der Ernte, sammelten Kastanien und Eicheln zum Rösten und Bucheln (Bucheckern) zur Ölgewinnung. Die Aufkäufer bezahlten für

Wie überall in Deutschland versuchten Menschen zusätzliche Lebensmittel zu ergattern, sei es für den eigenen Bedarf, sei es für größere Transaktionen. So stellte man z. B. am 5.4.1917 auf dem Dahlenburger Bahnhof 6 Bienenkörbe sicher mit der Aufschrift: ,,Vorsicht! Lebende Bienen!". Die Körbe enthielten:

,,108 Enteneier - 650 Hühnereier - 13 Pfund Bauernbutter - 30 Pfund schönstes Weizenmehl. Der Begleitmannschaft wurden 13 Pfund Kalbfleisch abgenommen." (38)

Im Winter 1917 wurden auch die Kohlen knapp. Am Anfang des Krieges mangelte es an Wechselgeld, so daß die Spar- und Darlehnskasse Notgeldscheine druckte zu 10 Pf und 50 Pf und ,,als das nicht mehr gestattet, gab der Ort kleine Scheine heraus zu 25, 50 und 75 Pf".

,,Am 30. Juni trafen in Dahlenburg 600 französische Zivilgefangene mit 60 Mann Bewachung ein, die im Kreise Bleckede den Landwirten zur Hülfe bei der Arbeit zur Verfügung gestellt wurden." Schon seit 1915 diente das Schützenhaus im Dorn als Lager für Zivilgefangene, die in gewerblichen und vor allen Dingen in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiteten und damit die fehlenden Arbeitskräfte ersetzten. Neben Franzosen waren auch Belgier, Engländer und Gefangene aus östlichen Ländern in diesem Lager. Arbeitgeber konnten sie gegen Entrichtung einer Gebühr ausleihen. Die Wachmannschaft stellte u. a. ein Landsturmbataillon aus Holzminden.

Nach dem Ende des Krieges 1918 und den Bestimmungen des Friedensvertrages von Versaille 1919 wurde Deutschland Republik. Fortschreitende Geldentwertung brachte den Zusammenbruch der Wirtschaft und damit Arbeitslosigkeit. Erst als am 1. November 1923 die neue Währung einsetzte, begann sich die Wirtschaft zu erholen.

Previous PageTop Of PageNext PageTable Of Contents../index.htm