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1.1.10 Entwicklung 1923 bis 1945

Im Kampf gegen wirtschaftliche und soziale Not gelang es der Weimarer Republik unter ihrem Reichspräsidenten Friedrich Ebert, die inneren Krisen zu überstehen und die innere Ordnung zu festigen. Die Regierung erreichte gute Beziehungen zu den Westmächten durch Erfüllung des Vertrages von Versaille.

Außenminister Stresemanns ,,Verständigungspolitik" gelang die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund 1926. Nach seinem Tode 1929 begannen innerdeutsche Auseinandersetzungen. Die Weltwirtschaftskrise 1929 bewirkte den Zusammenbruch deutscher Banken und führte schließlich zu 6 Millionen Arbeitslosen. Die Arbeitslosigkeit erleichterte u.a. Hitler, die Macht zu ergreifen und durch das Ermächtigungsgesetz das ,,Ende der parlamentarischen Republik" herbeizuführen.

Die Eingemeindung von Buendorf und Quickborn nach Dahlenburg erfolgte 1929. 1932 hatten beide Dörfer zusammen 71 Einwohner. In Dahlenburg wohnten in 175 Häusern 963 Personen. Die drei Orte zählten nun zusammen 1034 Personen.

Zur Vereinfachung der Verwaltung legte man 1932 die Kreise Lüneburg und Bleckede zum Großkreis Lüneburg zusammen. Verwaltungssitz des Kreises wurde Lüneburg.

Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 bildete die NSDAP Aufsichtsorgane, die auch staatliche Funktionen besaßen. Man gliederte Gaue in Kreise, Ortsgruppen und Zellen. Die Kompetenz des Kreistages übertrug die NSDAP 1933 dem Kreisausschuß.

So amtierte in Dahlenburg neben dem Bürgermeister Behrens der Ortsgruppenleiter, der die politische Überwachung wahrnahm. Bald vereinigte man beide Ämter, und Alfred Bortz übernahm sie am 1.7.1934 bis 1.8.1944. Als B. zum Militär eingezogen wurde, führte Oskar Wilke bis zum 1.11.1944 die Geschäfte des Bürgermeisters in Vertretung weiter. Ihn löste am 1.11.1944 bis zum 24.4.1945 Emil Goosmann ab.

Der Vorsitzende des Kreis-Ausschusses des Landkreises Lüneburg richtete am 8. Februar 1934 einen Brief an den Bürgermeister und teilte mit, daß die Gemeinde Dahlenburg die Bezeichnung ,,Flecken" und der Leiter der Gemeinde die Amtsbezeichnung Bürgermeister und die beiden ,,Schöffen" die Bezeichnung ,,Ratsherr" führen dürfen.

Der Landrat des Kreises Lüneburg verfügte am 1.7.1935: ,,Im Einvernehmen mit den Beauftragten der NSDAP halte ich es bei den Verhältnissen im Landkreis Lüneburg für zweckmäßig, dass allgemein

1933 erfolgte neben dem Ausschalten der Parteien auch die Auflösung der meisten Vereine, oder man schloß sie nationalsozialistischen Organen an. Die ehemaligen Mitglieder blieben der neuen Bewegung fern oder traten in ihre Organe ein aus innerer Überzeugung oder aus beruflichen Gründen, um im Amt zu bleiben oder eins zu erhalten, um aufzusteigen oder die Position zu sichern.

Neben der Mitgliedschaft in der NSDAP bestand in Dahlenburg für Männer die Möglichkeit, der SA (Motor-SA und Reiter-SA) beizutreten. JV und HJ holten die Jungen in ihre Reihen, JM und BDM die Mädchen. In Heimabenden, bei Sport und Spiel versuchten die im nationalsozialistischen Sinne geschulten jungen Führer, nicht nur die Freude an der Bewegung zu wecken, sondern auch das Gemeinschaftserleben zu aktivieren, die Liebe zu Führer, Volk und Vaterland als höchstes verteidigungswürdiges Gut darzustellen.

So zog die Jugend auch aus Dahlenburg in den Zweiten Weltkrieg, kämpfte an der Seite der Männer auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen, schaute dem Tod ins Angesicht, verblutete auf den Schlachtfeldern.

Als am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, und die Meldung durch das Radio bekanntgegeben wurde, stieg Pastor Runge auf den Kirchturm, und gemeinsam mit seinem Vater läutete er die Glocken. Am folgenden Sonntag predigte er über Psalm 75 Vers 4: ,,Das Land zittert und alle, die darin wohnen; aber ich halte seine Säulen fest." Bevor er die Kanzel nach der Predigt verließ, verkündete er: ,,Wenn unsere Sache gerecht ist, wollen wir den Herren bitten: Herr hilf uns! Wenn unsere Sache ungerecht ist, wollen wir den Herrn bitten: Herr, schlage uns!" ,,Das war damals ein gefährliches Wort, aber es kam mir so, daß ich es aussprechen mußte!" (40) Die Partei rügte ihn und ließ ihn wissen, daß nur sein Einberufungsbefehl ihn vor einer Strafverfolgung schütze.

1939 schickte die Kirchengemeinde noch kirchliche Broschüren zu den Soldaten an die Front, ab April 1940 wurde der Versand von staatlichen Stellen verboten. Im August 1939 erhielt die Bevölkerung Lebensmittel- und im Dezember Kleiderkarten.

Als im Juni 1941 deutsche Truppen in die Sowjetunion einmarschierten, strickten die Frauen und Mädchen in Dahlenburg wie überall in Deutschland Socken, Strümpfe, Kniewärmer, Pulswärmer, Schals, Kopf- und Ohrenschützer, Mützen, Fausthandschuhe und Pullover, die von den Sammelstellen zu den frierenden Soldaten im Winterfeldzug an die Ostfront gingen. Unterdessen hatte sich der Luftkrieg verschärft. Die Einwohner sahen und hörten die feindlichen Bomberverbände, die Tag und Nacht nach Berlin flogen oder erlebten das Feuerwerk am Himmel, wenn feindliche Flieger Hamburg angriffen, immer in der Sorge, daß unkontrollierte Bombenabwürfe den eigenen Ort treffen könnten. Viele Städte sanken in Schutt und Asche. Dahlenburg nahm Ausgebombte, Frauen und Kinder auf, die Schutz und Aufnahme bei Verwandten suchten. Sie waren dem Inferno der Großangriffe entgangen, hatten oft nur das nackte Leben gerettet.

Im Juli 1944 proklamierte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels den totalen Krieg, der Volkssturm wurde gebildet, Männer zwischen 16 und 60 Jahren unterwies man in der Handhabung der Waffen.

Die Entscheidungen an den Fronten waren bereits gefallen, am 31. Januar 1943 hatte die 6. Armee in Stalingrad kapituliert, am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie. Das letzte Kapitel der deutschen Tragödie begann.

Im Osten und Westen überschritten die Verbündeten die deutsche Reichsgrenze. Sowjetische Verbände fielen in Ostpreußen, Schlesien ein, drangen weiter vor nach Pommern bis zu Elbe. Millionen Flüchtlinge strebten nach dem Westen. Auch durch Dahlenburg zogen endlose Trecks. Sie kamen über die Dömitzer Brücke, hielten in D., ruhten aus, wurden verpflegt und weitergeleitet.

Günter Wehrend, 9 Jahre alt, konnte vom Horner Weg aus die ankommenden Trecks auf der Dannenberger Straße, in Höhe des Süschendorfer Berges, erspähen. Als leidenschaftlicher Pferdewagenfahrer rannte er querfeldein, erreichte die Wagen, kletterte zum Treckführer auf den Kutschbock und leitete stolz die Kolonne zum Marktplatz und von dort oft weiter in die umliegenden Dörfer.

Für die Unterbringung der Gespanne sorgte Bauer Heinrich Luhmann, Quickborn. ,,So stand Heinrich Luhmann jeden Nachmittag auf dem Marktplatz, um den eintreffenden Treck zu begrüßen und die vielen Gespanne unterzubringen. In der Schmiede von Bernhard Jacobs war die Verpflegungsstation untergebracht, und jeder Treck wurde mit heißer Suppe verpflegt." (41)

Im Strom der Vertriebenen zogen Kinder mit, die auf der Flucht ihre Eltern verloren hatten. Man sammelte sie in Dahlenburg, brachte sie in der Schule unter, Kindergärtnerinnen und Helferinnen betreuten ca. 60-80 Kinder zwischen 3 und 14 Jahren. Erst Wochen später, nach der Besetzung Dahlenburgs durch die Engländer, konnten die Kinder nach und nach ihren Eltern zugeführt werden.

Ein Augenzeuge, Georg Mössmer, der von der ,,Gendarmeriedirektion Lüneburg" 1945 nach Dahlenburg versetzt worden war, schrieb vom Einzug der Engländer, daß er während seiner Dienststreife am Vormittag aus Richtung Uelzen eine ,,unübersehbare Panzerkolonne" auf Dahlenburg zurollen sah.

,,Kurzentschlossen zog ich mein Taschentuch aus der Tasche und ging winkend den Panzern entgegen. Die Panzer hielten an, (es waren Engländer) und ich konnte mein Anliegen vorbringen. Der Kommandant im ersten Panzer war ein Jude (sagte er), und er konnte etwas Deutsch. Dieser sagte mir, er wisse, daß Dahlenburg noch von deutschen Truppen besetzt sei. Sie würden es zusammenschießen und dem Erdboden gleich machen. Diese Drohung wiederholte er mehrmals. Ich bat diesen Offizier, er möchte mir etwas Zeit geben, um die deutschen Truppen zur Aufgabe zu überreden. Diesem Ersuchen hatte er dann zugestimmt, und ich fuhr mit dem Fahrrad zu der deutschen Einheit. Ich habe dann dem Führer der deutschen Einheit klar machen können, daß es zwecklos sei, Widerstand zu leisten. Die deutschen Truppen waren am Ortsausgang in Stellung. Wie stark die Truppe war, wußte ich nicht. Nun hatte dieser Einheitsführer ein Einsehen gezeigt und sogleich mit dem Abzug begonnen. Dies mußte allerdings sehr schnell gehen, da die Engländer nur etwa 20 Minuten Zeit gaben. Ich fuhr dann wieder mit dem Fahrrad zurück zu den Engländern und brachte ihnen die Nachricht, daß Dahlenburg von deutschen Truppen frei sei.

In der Zwischenzeit hatten die Engländer bereits in breiter Front Stellung bezogen und den Angriff vorbereitet. Die Engländer haben sich dann von mir überzeugen lassen, daß sie gefahrlos durch Dahlenburg fahren können. Ich mußte dann auf den ersten Panzer vorn aufsitzen mit der Drohung, wenn ein Schuß fällt, werde ich sofort abgeschossen. Es blieb mir auch gar nichts anderes übrig als aufzusitzen." Die Kolonne donnerte weiter und geriet in der Ortsmitte unter Beschuß. Mössmer sprang vor einer Gastwirtschaft vom Panzer ab und überzeugte den Kommandanten, nicht zu schießen. M. stellte dann fest, daß einige Jugendliche sich noch verteidigen wollten, dann aber aufgaben. Die Panzer rollten nun ungehindert durch Dahlenburg. Die Engländer ernannten den Retter Dahlenburgs zum Polizeikommandanten.

,,Ein weiteres Ereignis war, ich habe den ,,Gauleiter von Lüneburg" in einer Jagdhütte bei Dahlenburg dingfest gemacht (sein Name ist mir nicht mehr bekannt) und den Engländern übergeben. Allerdings hat er in seiner Jagdhütte Selbstmord begangen. Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten, ist aber einige Tage danach im Krankenhaus gestorben." Wie den Dahlenburgern bekannt, handelte es sich um Gauleiter Telchow.

Den Augenzeugen, Georg Mössmer, hatte Hermann Schuer zufällig in einem Hotel in Bad Füssen kennengelernt und im Gespräch von der Tätigkeit des Bayern in dem letzten Kriegsjahr und den ersten Nachkriegstagen in Dahlenburg erfahren. ,,Es war mir eine Genugtuung, die Gemeinde Dahlenburg damals vor der Zerstörung zu bewahren," schrieb Mössmer. Hermann Schuer entsinnt sich, daß seine Eltern erzählt hätten, daß auf dem ersten engl. Panzer ein deutscher Soldat als Zielscheibe gesessen hätte. In diesem Zusammenhang steht auch die Bestätigung einiger Zeugen, daß der Dahlenburger Bürger Karl Rudatis einen deutschen Panzer am Ortsausgang in Buendorf bewegen konnte abzudrehen. Ein deutscher Panzer landete beim Abzug Richtung Bleckede in der Plantage von Hoyer.

Rosemarie Malchow erzählte, daß deutsche Soldaten bei ihrem Rückzug Panzerfäuste zurückließen, die sie in einem alten Speicher auf der Wiese hinter der Mühle deponierten, obwohl Paul Malchow dagegen protestierte.

Man befürchtete, daß die im Abmarsch befindlichen amerikanischen Truppen beim Auffinden der Panzerfäuste evtl. die Mühle bzw. einige Häuser in der Nähe des Fundortes in die Luft sprengen könnten. So entschloß sich Kurt Malchow mit einem Kameraden, die Munition unter den morschen Dielen des Speichers einzubuddeln. Als dann am nächsten Tag die ..Amis.. in Dahlenburg eintrafen, kampierten ca. 20 Soldaten im alten Speicher, 30 Pferde grasten auf der Weide. Bange Stunden für die Familie verstrichen. Als schließlich die Soldaten abzogen, schleppten die beiden jungen Männer die gefährliche Ladung während der Sperrstunde nach und nach flußabwärts in die Neetze. Man atmete auf, die nächtliche Transportaktion wurde nicht entdeckt. Am nächsten Tag quartierten sich wieder Amerikaner in dem Speicher ein.

Die letzten Kriegstage zeichnete Rudolf Kamin auf, langjähriger Angestellter der Gemeinde Dahlenburg:

Kurzfassungen:

Allmählich traten normale Verhältnisse ein. In erster Linie galt es, Wohnraum zu schaffen für Ausgebombte und aus ihrer ostdeutschen Heimat Vertriebene. Sie hausten zum Teil in Notunterkünften und hofften, für den Winter in Wohnungen eingewiesen zu werden. So rückten die ,,Heimatverbliebenen" enger zusammen, traten Räume ab und nahmen ,,Heimatvertriebene" auf. Das war für beide Teile nicht einfach, führte hier und da zu Spannungen, vor allen Dingen, als man merkte, daß sich eine Entspannung nicht abzeichnete, da die Vertreibung bereits in den Verträgen der Alliierten von Teheran, November 1943 und Jalta, Februar 1945 dokumentiert worden war.

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