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2.4.2 Die Molkerei

Landwirte aus dem Raum Dahlenburg hatten Ende des 19. Jahrhunderts erkannt, daß man, um konkurrenzfähig zu bleiben, sich genossenschaftlich zusammenschließen müßte. So entstand der Gedanke, eine Molkereigenossenschaft zu gründen.

Besonders W. Saucke, Tosterglope, setzte sich für die Durchführung des Planes ein. Er fand einen Förderer des Gedankens in Landschaftsrat Baron Friedrich von Spörcken, Lüdersburg, der dann auch 30 Jahre als ,,Präsident die Geschäfte des Aufsichtsrates" leitete. Sein Nachfolger Oekonomierat C. Burmester, Gut Horn, war bis zu seinem Tode 1927 Vorsitzender des Aufsichtsrates.

W. Saucke hatte den Vorsitz im Vorstand, v. Spörcken stellte Ländereien seines Gutes Dahlenburg zur Verfügung, und den Neubau führte Heinrich Stute, Dahlenburg, aus. Die Firma Wächter, Eutin, verkaufte der Molkerei die Maschinen und Johann Stender übernahm die Verwaltung, Lehrer Buck nebenamtlich die Buchführung.

Am 25. Oktober 1892 eröffnete man den Betrieb. 26 Landwirte bildeten den Stamm des Unternehmens.

Uppenthal nannte folgende Namen:

In der ersten Generalversammlung am 18. Mai 1893 zeigte der Bericht ein gutes Ergebnis, und auch die Herren der Prüfungskommission, A. Bausch, H. Menke u. Timmermann, beanstandeten nichts in der Geschäftsführung.

1894 schied Ohlmeyer aus dem Vorstand aus, und Menke trat an seine Stelle. Die Buch- und Kassenführung übergab man Kaufmann A. Zierau. In den nächsten Jahren befaßte man sich mit der Werbung neuer Mitglieder, dem Absatz der Butter, mit der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche und mit der Milchleistung der Kühe. Baron von Spörcken schlug zur Verbesserung den Anschluß an die Herdbuchgesellschaft vor, damit durch Messungen der Milch die Leistungen der Kühe festgestellt wurden, doch erst 1927 schloß man sich dem Milchkontrollverein Lüneburg und damit der Herdbuchgesellschaft an.

1903 wählte die Generalversammlung C. Burmester neu in den Aufsichtsrat und A. Bausch in den Vorstand. Der 1902 erwirtschaftete Überschuß diente als Rücklage für einen Erweiterungsbau. Ferner beschloß man, die Auffahrt zu pflastern. Baron von Spörcken trat den Weg von seinen Ländereien ab, jeder Genosse fuhr eine Wagenladung Steine herbei, während die Gemeinde die Arbeiten leistete.

Im Laufe der nächsten 10 Jahre veränderte sich durch Wahlen die Zusammensetzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Namen wie E. Rabeler-Quickborn, Rabeler-Lemgrabe, Ahrens kamen hinzu.

Im Betrieb erfolgten Umbauten, Rampe und Milchannahmeraum wurden vergrößert, das 1908 errichtete E-Werk verkaufte den Strom.

1913 gab es einen Wechsel in der Betriebsleitung, Stender zog nach Uelzen und Carl Westphal erhielt neben der technischen auch die kaufmännische Leitung. Als man ihn 1914 zum Kriegsdienst einzog, lag die Vertretung in den Händen seiner Frau. Während des Krieges und der Nachkriegszeit änderten sich die Namen im Aufsichtsrat und Vorstand. E. Rabeler wechselte in den Vorstand, während Röber sein Amt im Aufsichtsrat antrat. Als Bausch, Köstorf, verstarb, löste ihn Rud. Meyer-Köstorf ab.

1922 legte Baron von Spörcken den Vorsitz nach 30jähriger Tätigkeit im Aufsichtsrat nieder. Er hatte ihn mit großer Umsicht ausgefüllt, und dafür sprach ihm die Genossenschaft ihren Dank aus. Seinen Nachfolger Ökonomierat Carl Burmester-Gut Horn berief 1927 der Tod ab, und sein Sohn Richard folgte ihm im Amt.

1923 richtete man auf Anregung von Richard Bausch eine Kartoffelflockenfabrik ein, so daß Molkerei und Flockenfabrik die Dampfmaschine gemeinsam nutzen konnten.

1926 brach unter dem Viehbestand der Milchlieferanten die Maul- und Klauenseuche aus. Man versuchte, durch Aufklärung und Desinfektionsmaßnahmen vorzubeugen und die Seuche einzudämmen.

Als sich die Genossenschaft dem Milchkontrollverein anschloß, prüften Kontrolleure die Milch auf Sauberkeit und Fettgehalt und berieten in Versammlungen die Lieferanten über Hygiene im Kuhstall und über den Einsatz von Sieben und Filtern.

Der Winter 1928/29 traf besonders hart die Milchfahrer, die in der Kälte die Milch auf Pferdewagen herbeischafften. Man hatte 5 Touren festgelegt, und zwar je eine Anfuhr von Boitze, von Eichdorf, von Köhlingen, von Darzau und von Barskamp. Die an den Strecken liegenden Ortschaften schickten ihre Milch mit den Milchwagen mit, während größere Betriebe selbst lieferten.

Für die besonderen Strapazen des harten Winters, die Temperaturen sanken auf -20º bis -30º C, zahlte die Genossenschaft den Fuhrleuten einen Sonderlohn.

Am 13. Februar 1932, dem 40. Gründungsjahr der Genossenschaft, dankten der neue Vorsitzende des Vorstandes August Bausch und der Aufsichtsratsvorsitzende Alb. Gehrhus besonders W. Saucke, der nun 40 Jahre die Geschicke der Genossenschaft vorbildlich geleitet hatte. In diesen Jahren kletterte die Zahl der Mitglieder von 26 auf 377 und die Milchverarbeitungsmengen von 103616 Liter auf 3 416 089 Liter im Jahr. Die Landwirtschaftskammer verlieh in den letzten 7 Jahren insgesamt 23 Preise für die Qualität der Schlagsahne, der Milch und der Butter. Auf Wanderausstellungen und auf der ,,Grünen Woche" in Berlin erzielten die Molkereiprodukte aus Dahlenburg Auszeichnungen. Der Einsatz von neuzeitlichen Maschinen für die Verarbeitung der Milch und die vorbildliche Leitung durch Molkereidirektor Westphal hatten diesen Aufschwung herbeigeführt.

In der Generalversammlung vom 16.3.1946, die August Bausch, Neetzendorf, als Vorsitzender eröffnete, gab Richard Burmester, Gut Horn, einen Bericht über die Ernährungslage und bat die anwesenden Landwirte, ,,mehr Produkte abzuliefern, um das Schlimmste, eine furchtbare Hungersnot, zu verhindern!" Er richtete die dringende Bitte an die Anwesenden, den ,,Apell zu beherzigen, um diese schlimme Not beseitigen zu helfen".

Ende 1945 hatte Kurt Kautz sen., als aus seiner Heimat vertriebener Molkereifachmann, die Geschäftsführung der Molkereigenossenschaft übernommen. Wie er selbst erzählte, hatte er sich auf eine Anzeige hin um die Stelle beworben, war in einer Zeit, in der noch keine ordentlichen Verkehrsmöglichkeiten bestanden, größenteils zu Fuß aus der Gegend von Soltau hergewandert, hatte sich bei August Bausch, dem damaligen Vorsitzenden vorgestellt, der seine Bewerbung annahm. Er erkannte die Tatkraft dieses Mannes, dessen ,,schöpferische technische Energie" aus der ländlichen Molkerei einen modernen Industriebetrieb schuf.

Anfangs ging es vor allen Dingen um die Bildung einer wirtschaftlichen Grundlage durch die Herstellung von Camembert, Chester und Tilsiter Käse. Doch dann suchte Kurt Kautz sen. neue Wege; denn er hatte entdeckt, daß die Milch als Rohstoff vielfältigen Zwecken dienen könnte. Zur Verwirklichung seiner P1äne gehörten Investitionen für die Erweiterung der Produktionsanlagen.

Er mußte eine erhebliche Überzeugungskraft anwenden, und es gelang ihm, durch Zahlung der höchsten Milchpreise Niedersachsens, die Genossen von der Richtigkeit des eingeschlagenen Weges zu überzeugen.

Die Molkerei hatte in der Aufbauphase erhebliche Mittel vom ,,Grünen Plan" erhalten, die nun durch die ,,Spitzenauszahlungspreise" für die Milch wieder in die Landwirtschaft zurückflossen.

In einem 1953 erstellten Sprühturm produzierte man dann ,,Molda 55" beim Sprühtrocknen einer Lecithin/Milch-Emulsion. Der 1959 erbaute zweite Turm führte zur Produktion von Fettpulver und nach Erweiterung der Anlage 1966 und 1969 zur Erzeugung spezieller ,,Backmischungen" und ,,Kremprodukte", die von der Lebensmittelgroßindustrie z. B. Oetker, Kraft, Unilever übernommen und vertrieben werden. Als wissenschaftliche und technische Berater sind seit dieser Zeit Dr. Starke, Hamburg, und Dr. Schäfer, Düsseldorf, tätig.

Eine im März 1980 eingeweihte Versuchs- und Entwicklungsbäckerei mit Bäckermeister Otto Daetz an der Spitze prüft die Mischungen auf Qualität, bevor sie zum Versand kommen.

Bald reifte der Plan, durch ein Gefriertrocknungsverfahren Produkte haltbarer zu machen, um sie selbst in die Tropen verschicken zu können. Es entstand 1962/63 eine Gefriertrocknungsanlage mit einem ,,Vier-Tunnel-System."

Es galt, die Probleme der neuen Technologie zu lösen, die angelieferten Rohstoffe richtig vorzubereiten und das Trockengut schließlich fachgerecht zu verpacken. Es glückte durch gute Arbeitskräfte, die auch bereit waren, sich den neuen Anforderungen zu stellen.

Am Anfang brachte das Gefriertrocknen von Kaffee die wirtschaftliche Grundlage für diesen Betriebszweig. Nach der Erweiterung auf 12 Tunnel 1968/69 steigerte man die Kapazität auf das Vierfache, ca. 50 t pro Tag, innerhalb von 10 Jahren und nahm Milch, Milcherzeugnisse, Früchte und Gemüse zur Gefriertrocknung an. Die Erzeugnisse liefern die heimische Landwirtschaft, aber auch die Nachbarländer wie die Niederlande und aus dem Ostblockbereich Polen.

Durch moderne physikalische Techniken gelang es anfangs der 70er Jahre, ohne Zusätze das gesamte Milcheiweiß, Kasein und Molkeneiweiß zu isolieren und in konzentrierter Form anzubieten. Das spezielle Verfahren, ,,Vollständiges Natives Milcheiweiß" zu entwickeln, im In- und Ausland durch Patente geschützt, ist ein wichtiger Bestandteil der Ernährung. Forschung, Entwicklung und Kontrolle der Rohstoffe und Fertigprodukte, die im Labor unter Leitung von Heidrun Kautz stattfinden, erfordern äußerste Genauigkeit. Ca. 10 % des Stammpersonals arbeiten in diesem Bereich.

Verantwortlich für die Produktion sind heute Klaus Wilke u. Klaus Ahrens, für die technische Entwicklung ist Otto Stahnke zuständig. Die Verwaltung liegt in den Händen von Wolfram Folkmann, und Ulrich Eisenblätter hält als Verkaufsleiter die Verbindung zu den Abnehmerbetrieben des In- und Auslandes. Geschäftsverbindungen bestehen nicht nur mit der deutschen und europäischen Lebensmittelindustrie, sondern auch mit Großbetrieben in Südamerika und in USA. Insgesamt gehen 12-15 % des Umsatzes der Produktion ins Ausland.

1973 waren es rund 1000 Bauern mit ca. 11000 Milchkühen, die mit einer Lieferung von 45 Millionen Kilogramm Milch im Jahr (1957: 6,3 Millionen) die Rohstoffgrundlage sicherten; heute liefern 350 Bauern mit 6000 Kühen knapp 33 Millionen Kilogramm.

Der Rückgang der Milchlieferanten erfolgte im Zuge des Strukturwandels in der Landwirtschaft infolge Maßnahmen der EWG, die Produktion von Milch zu drosseln. Diese Maßnahmen erforderten 1981 die Umwandlung der Genossenschaft, in der das Kapital mit dem Ein- und Austritt des Genossen, der seine Anteile einzahlt und herausnimmt, steigt und fällt, in eine Aktiengesellschaft mit einem konstanten Stammkapital zur Sicherung des Betriebes.

Ein eigenes Kraftwerk, gespeist durch Ruhrkohle, nach modernen Gesichtspunkten errichtet, umweltfreundlich, liefert die Energie für das Werk.

Die Gesamtleitung des Betriebes liegt seit 1971 in den Händen von Kurt Kautz jun., sein Stellvertreter ist Peter Kruskop-Schulze.

Entscheidend trägt die Molkerei zur Strukturverbesserung des Dahlenburger Raumes bei. Sie beschäftigt zur Zeit 420 Mitarbeiter. In der Produktion arbeiten die Beschäftigten in 4 Schichten rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. 1980 erzielte die Molkerei einen Umsatz von 69 Millionen Mark und 1986 über 100 Millionen Mark.

Kurt Kautz sen., der das Werk von 1945 bis 1971 leitete, und sein Sohn Kurt Kautz jun., sein Nachfolger, haben eine kleine Molkerei zu einem wirtschaftlich bedeutsamen Unternehmen von internationalem Ansehen entwickelt, das im Landkreis führend ist.

Neben der Genossenschafts-Molkerei gab es in D. eine Privat-Molkerei. 1912 errichtete Wilhelm Strampe, geb. 1876 in Gienau, eine eigene Molkerei. Er hatte in der Gartenstraße ein Wohnhaus mit einem Molkereigebäude gebaut. Da er aus der Umgebung stammte, zählten viele Bauern zu seinen Milchlieferanten, und so setzte er auch seine Milchprodukte wie Butter, Quark und Käse vorwiegend im Großraum Dahlenburg ab.

Während des 1. Weltkrieges, in dem Wilhelm Strampe von 1914-1918 als Soldat diente, hielt seine Ehefrau Emma, geb. Burmester, alle Fäden in der Hand und sorgte mit einem französischen Kriegsgefangenen für die Abnahme und Verarbeitung der Milch. Für ihren Einsatz verlieh ihr der Staat das ,,Eiserne Verdienstkreuz."

Sohn Alfred führte als Molkereimeister den Betrieb weiter. Im Zuge einer staatlich organisierten Wirtschaftsführung und zur besseren Kontrolle ordnete man nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten unter anderen Maßnahmen im gesamten Reichsgebiet an, die Milch nur noch an Molkereigenossenschaften zu liefern. Das bedeutete auch das Ende für die ,,private Molkerei Strampe", die dann offiziell 1936 von der Behörde, wie viele andere private Molkereien im Reichsgebiet, geschlossen wurde.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 verwaltete Alfred Strampe für kurze Zeit die Molkereigenossenschaft, deren Leitung dann zum Ende des Jahres Kurt Kautz sen. übertragen wurde.

Alfred Strampe eröffnete 1946 ein Milch- und Kolonialwarengeschäft, das seine Frau Elisabeth, geb. Niemann, nach seinem Tode noch weiter betreibt.

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