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2.6 Handel und Gewerbe

Handel und Gewerbe bildeten die Grundlage jeder städtischen Entwicklung. Eine gute Verkehrslage entschied über Umsatz und Wachstum. Dahlenburg, Mittelpunkt eines weiten Hinterlandes, lag auch im Mittelalter verkehrstechnisch gesehen, nicht ungünstig. Zumal Hammerstein vermutete, daß der Handelsort Schesla, der zur Zeit Karls des Großen den Handel der Sachsen mit den Wenden beaufsichtigen sollte, an dem Kateminer Bach zwischen Dahlenburg und Hitzacker, also Neuhaus gegenüber gelegen haben könnte, da es in Grimms Weisthümern III. 229 heißt: ,,van dem beke by Chatemyn genament de Schetzell." Nach Hammerstein befand sich hier ,,ein Hauptübergang über die Elbe".

So war der heutige Ort Darchau ein wichtiger Verkehrspunkt zwischen Sachsen und Wenden. Die Heerstraße von Lüneburg aber führte über Dahlenburg nach Schesla zur Elbfähre, eine Abzweigung nach Dannenberg. Diese Straßen verbanden Lüneburg mit Mecklenburg, Brandenburg und Sachsen und wurden erst nach 1945 durch die Grenzziehung unterbrochen.

Handschriftliche Quellen beweisen, daß Handwerker und Händler aus den genannten Gebieten auch die Märkte in Dahlenburg aufsuchten. Und doch bezeichneten Urkunden im ausgehenden 17. Jahrhundert den Ort bereits als Flecken. Auch in der Belehnungsurkunde Georg III. 1789 bestätigte der König die ,,Rechte und Gerechtigkeiten Unseres Fleckens Dahlenburg."

Die Handwerker konnten ihre Waren nicht immer in Dahlenburg absetzen, es fehlten die zahlungskräftigen Käufer. Händler und Kaufleute, die vom An- und Verkauf lebten, sahen wenig Gewinnchancen. Sie zogen zu, erwarben das Bürgerrecht, doch ihre Nachkommen suchten nach zwei bis drei Generationen in anderen Städten bessere Erwerbsmöglichkeiten. So gibt es kaum Familien in dieser Branche, die 100 Jahre ansässig sind und dem Handel und Gewerbe ihrer Vorväter nachgehen.

Namen aus dem Dahlenburger Bürgerbuch von Händlern und KauBeuten mit der ersten Erwähnung des Namenträgers dokumentieren diese Aussage:

Stövesand (Kaufmann 1792), Huben (Kupfer- und Messinghändler 1797), Philippi (Handelsmann 1799), Friedrich (Galanteriehändler 1814), Soltau (Kaufmann 1816), Seile (Eisenhändler 1822), Buhlert (Kaufmann 1829), Steinfeld (Produktenhändler 1861), Kamin (Kaufmann 1862), Joh. Chr. Meyer (Viehhändler, 1873), Rump (Viehhändler 1874), Heinrich Meyer (Hokenhändler 1876), Brunswieck (Handelsmann 1878), Kolthof (Produktenhändler 1882), Päpper (Kaufmann 1883), Schenk (Kaufmann 1886), Zierau (Kaufmann 1895), Hufnagel (Kaufmann 1898), Brusche (Handelsmann 1906), Koopmann (Kaufmann 1907), Selle (Kaufmann 1906), Niebuhr (Kaufmann 1921), Ohland (Händler 1911), Düffert (Handelsvertreter 1922), Konau (Kaufmann 1928), Bruns (Händler 1930), Blume (Kaufmann 1928), Stolte (Kaufmann 1930).

Die hier aufgeführten Namen stehen vorwiegend für den Einzelhandel, der seine Waren vom Großhandel bezieht oder vom Handwerk. Unter ihnen gab es gewisse Spezialisierungen, so den Kupfer- und Messinghändler, den Eisenhändler, die Gebrauchsgegenstände aus verschiedenen Metallen verkauften. Der Gelanteriehändler besaß Schmuck und Kurzwaren in seinem Sortiment, der Hokenhändler, auch Hucker, Höker genannt, Gebrauchsgegenstände und Lebensmittel.

Im 20. Jahrhundert stellte sich der Kaufmann auf dem Lande, so auch in Dahlenburg, auf ein breites Warenangebot um, wobei die Spezialisierung eine Rolle spielte.

Als nach dem 2. Weltkrieg Großmärkte entstanden, Handelsketten um die Gunst der Käufer durch preiswerte Angebote warben, bedeutete das die Schließung von Kaufläden auch in Dahlenburg. Von den oben erwähnten Namen blieb nur noch Stolte, Gemischtwarenhandlung seit 1927, übrig. Das Geschäft Zierau übernahm 1959 Ernst Samland.

Zu den Kaufleuten, die früher oder später ihre Läden schlossen, gehören z. B. Max Radelow, Gerhard Burkandt, Kurt Stuhlmacher, Thea von Eberstein, Adolf Fredrich, Käte Hantel und Max Korte jun., dessen Eltern 1934 das Geschäft eingerichtet hatten und der vorwiegend Milchprodukte verkaufte, Günter Heese, Alfred Schuer, Franz Meyer, der väterlicherseits und mütterlicherseits einem alten Kaufmanns- bzw. Handwerkergeschlecht entstammte.

Drogerie

Schon im Mittelalter gehörten die sog. Spezereihändler, die mit Spezereien, Drogen, Gewürzen und dergl. mehr handelten, zur Gruppe der Kaufleute, die vorwiegend in den Städten ihre Geschäfte betrieben. Hausierer brachten auch diese Waren in die kleineren Orte, oder z. B. die Gemischtwarenhändler in Dahlenburg führten sie in kleineren Mengen. Jedoch wurde die Nachfrage größer, so daß nach der Jahrhundertwende Oscar Wilcke in Dahlenburg eine Marktlücke entdeckte. Die Vorgeschichte seiner Drogerie begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

,,Dahlenburg, am 23. October 1867

Circulare

an die Herren Bürgervorsteher

Der nach vorheriger Prüfung Seitens des Landphysicus, Sanitätsraths Dr. Wieke vom Königlichen Amte Bleckede unterm 11. dieses Monats als Bader unter Beweisung seines Wohnorts auf Dahlenburg concessionierte zeitherige Barbiergehilfe Heinrich Christian Christoph Wilcke aus Woltorf, Amts Peine, hat nicht allein um Ertheilung des hiesigen Bürgerrechts sondern auch um die Vorbescheinigung zur Erwirkung eines Trauscheins zwecks seiner Verheirathung mit der ältesten Tochter des hiesigen Rademachers Meyer bei dem unterzeichneten Magistrate gebeten. Wir unsrerseits finden kein Bedenken, den gestellten Ansuchen zu willfahren, wünschen jedoch annoch die Ansicht der Herren Bürgervorsteher, welche verfassungsmässig in solchen Fällen zuzuziehen, zu vernehmen und veranlassen dieselben, falls auch Sie das Wilcksche Gesuch für stattnehmig halten sollten, dieses hierunter durch Ihre Namensunterschrift gefälligst erklären zu wollen.

Bartels Masson E. Buhlert" (Bürgerbuch)

Bürgermeister Uhthoff vermerkte am 30. Oktober 1867, daß das ,,Fleckens-Collegium" beschlossen habe, nachdem Wilcke ,,Seine Concessionirung als Bader" nachgewiesen habe, das Badergeschäft ausüben dürfe und das Bürgerrecht erhalte. Er entrichtete ,,Sieben Thaler Cour", davon 5 gr an den ,,Rathsdiener Kaiser".

Christian Wilcke hatte in Hamburg gedient und dort Elise Meyer kennengelernt. Als Preuße war für ihn die Ausübung seines Berufes in Dahlenburg nicht einfach, doch da eine nennenswerte Konkurrenz fehlte, wuchs der Kundenkreis. Als Bader kurierte er Kranke durch Ansetzen von Blutegeln und Schröpfköpfen, zog Zähne seiner Patienten und rasierte sie. Rasierschaum vor der Kundentür zeigte seinen Kindern, die ihn bei Notfällen suchten, wo er sich gerade aufhielt, so daß sie ihn immer fanden. Zu Hause half ihm seine Frau beim Zahnziehen; denn sie hielt den Kopf des Geplagten. Beide waren glücklich, wenn man den richtigen Zahn erwischte.

Sohn Oscar erlernte das Friseurhandwerk in Uelzen und diente dann bei den Goslaer Jägern. Er nahm in China an der Niederwerfung des sog. Boxeraufstandes teil (1900-1901) und konnte seinen Kunden als weitgereister Soldat aufregende Geschichten erzählen. Nach seiner Rückkehr kaufte er eine Bürgerstelle und richtete im Hause am Markt eine Frisierstube ein, nachdem er Gegenstände wie Konsole, Stuhl, Spiegel und Spucknapf als erste Ausstattung erworben hatte. Da seine Kunden auch nach Drogen, wie Öle, Creme, Seife, Parfüm und Heilkräuterextrakten u. dergl. mehr fragten, also Mittel, die auf tierischen oder pflanzlichen Rohstoffen basierten, schaffte er einen Drogenschrank an und verkaufte die gewünschten Artikel. Das waren die Anfänge der Drogerie.

1908 erhielt er dann das Bürgerrecht. Seine preußische Herkunft väterlicherseits verleugnete er nie. So erinnert sich seine Tochter Lucie an folgende amüsante Begebenheit: Ein Drehorgelspieler pflegte ab und an die Dahlenburger mit seinem Spiel zu erfreuen. Oscar Wilcke ließ den Musikanten vor seiner Tür ,,Ich bin ein Preuße..." spielen und Sattler Ulrich als treuer Welfe ,,Wir lustigen Hannoveraner..." So wechselte der Drehorgelspieler zwischen den beiden Häusern musizierend hin und her zur Freude der Zuhörer, dabei floß das Trinkgeld von beiden Seiten reichlich.

Nach kurzer Ausbildung bestellte die Kommunalverwaltung Oscar Wilcke zum Fleischbeschauer, und so führte er die Fleischbeschau neben seinem Betrieb durch.

Als der einzige Sohn und Erbe im II. Weltkrieg fiel, trat er das Friseurgeschäft ab. Seine Tochter Lucie Jürgens, Mutter von 4 Töchtern, absolvierte eine Drogistenausbildung, die sie berechtigte, die Drogerie zu leiten. Sie erweiterte das Sortiment, baute die Räume um und errichtete einen modernen Betrieb, den Tochter Ursula von Eberstein übernahm.

Fabrikanlagen

Im Zuge der Liberalisierung entwickelte man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neben der Landwirtschaft und der gewerblichen Wirtschaft, die auf handwerklicher Herstellungsform und Handhabung basierte, mechanische Verfahren, die über die mechanische Werkstatt zur Fabrik führten. Eine größere Zahl von Arbeitern fand in der Fertigung eine Anstellung.

Maßgeblich für die Anlage solcher Fabriken war eine günstige Verkehrslage für die Heranschaffung von Rohprodukten und Absatz der Fertigprodukte. Diese Voraussetzungen bestanden nicht in Dahlenburg. Und doch gründete der Unternehmer Brauer 1854 auf dem ,,Johannisberge" eine Fabrik. 20 Arbeiter fabrizierten Leim und Knochenmehl. Knochenmehl, ein organisches Produkt mit hohem Phosphorsäuregehalt, diente zur Düngung. Die Anfuhr der Knochen mit Pferdegespannen vergrößerte die Unkosten, da eine Bahnverbindung fehlte. Nur 9 Jahre arbeitete das junge Unternehmen. Nach einem Konkursverfahren 1865 verlegte Brauer die Fabrikation nach Lüneburg. Den Platz kaufte Maler Lehmitz und erbaute dort 1877 ein Haus.

Dahlenburg verlor mit der Verlegung der Knochenmehlfabrik zwar 20 Arbeitsplätze, tauschte dafür aber frische Luft ein; denn die ,,besonderen Düfte" der Lüneburger Fabrik empfingen die Reisenden Jahre hindurch schon am Anfang der Dahlenburger Landstraße, je nachdem, wie der Wind stand.

Meyer und Ellenberg versuchten 1882 eine chemische Fabrik im Ort zu errichten. Dieser zweite Versuch lief bis 1908. Man stellte die Produktion, die sich als unrentabel zeigte, ein. Das Gelände erwarb Theiding, und den Fabrikschornstein entfernte man in den 30er Jahren. Heute befindet sich hier die Bereitschaftsstelle der Feuerwehr.

Orligna

1929 gründete Franz Kreysa in Hamburg-Wandsbeck einen Betrieb zur Herstellung von Holztapeten. Das erforderliche Holz, Eiche, Erle, Birke und Buche kaufte er auf aus der Göhrde und dem Raume Dahlenburg, wobei ihm Heinrich Päpper zur Seite stand. So konnte er, als seine Firma 1943 in Hamburg ausgebombt wurde, das Werk in Dahlenburg wieder aufbauen. Nach der Währungsreform 1948 stellte die Fabrik vorwiegend Schäl- und Messerfurniere für die Möbel-, Türen- und Plattenindustrie her. Sie bot Arbeitsplätze für ca. 120 Beschäftigte. Die Hölzer führte man ein aus den tropischen Urwäldern Französisch-Äquatorial Afrikas; Umschlagplatz war Brazzaville. Herbert Kreysa übernahm 1966 das Werk seines Vaters und führte es bis 1982. Mangels notwendiger Auslastung mußte es in diesem Jahr die Produktion einstellen.

Der Baurückgang und die Einrichtung von Verarbeitungsbetrieben in Afrika, sowie die ungünstige Verkehrslage, die Hölzer wurden vom Hafen in Hamburg durch die Spedition Ernst Krüger nach Dahlenburg transportiert, bewirkten die Schließung.

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