
Bundesbahn
Die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft, in deren Händen auch die Betriebsführung ruhte, führte vor der Planung der Eisenbahnlinie umfangreiche Verhandlungen mit den Gemeinden, deren Flure durchschnitten wurden.
Die Trasse sollte Hamburg über Buchholz-Lüneburg-Wittenberge direkt mit Berlin verbinden, und sie brachte damit die verkehrstechnische Entwicklung des Raumes östlich von Lüneburg.
1874 eröffnete man die Eisenbahnlinie, für deren Linienführung im Dahlenburger Raum nach Überlieferungen Ernst Buhlert, der die Postspedition besaß, mitverantwortlich zeichnete. Bürgermeister war Uhthoff und Postverwalter Heydorn. Anfangs lag der Dienst eines Stationsvorstehers in den Händen des Postverwalters. Ein stattliches Stationsgebäude im Stil der Gründerzeit, ,,Revidiert mit Bezug auf den Erlaß II 20962 und die Revisionsbemerkungen für das Eisenbahnwesen im Ministerium für Handel Berlin den 18. Oct. 73
gez Dieckhoff, Quensell, zur Nieden",
errichtete man. Das Erdgeschoß, vorgesehen für die Diensträume, wies auf der Westseite die Räume für den Verwaltungsapparat auf, im Mittelteil den Warteraum I. und II. Klasse, getrennt durch das ,,Buffet" von den auf der Ostseite liegenden Warteräumen III. und IV. Klasse. Das Obergeschoß, die erste Etage, barg 3 Wohneinheiten mit je 2 Stuben, 1 Kammer und 1 Küche. Eine Wohnfläche von insgesamt 229,29 qm befand sich hier. Am 16. Dezember 1877 übergab man die Station Dahlenburg, 4 km vom Ortskern entfernt, der Öffentlichkeit.
Neben den Stationen errichtete die Eisenbahndirektion Bahnwärterhäuser, von denen aus die Streckenabschnitte und Bahnübergänge kontrolliert wurden. Über Anlage und Verbesserungen der Wegeübergänge und andere Maßnahmen, die Bahn betreffend, entschied die Eisenbahn-Direktion Altona gemeinsam mit der Eisenbahn-Bau-Inspektion Lüneburg nach Befragung der zuständigen Interessenten.
Die Abschrift eines Protokolls vom 9. August 1890 beglaubigten der ,,Geheime-Baurat Heithaus und der Regierungs-Rath von Ehlerts" als ,,Commissare des Herrn Regierungs-Präsidenten." Anwesend waren als Vertreter der Eisenbahn-Direktion Altona Regierungs- und Baurat Krauser und Ingenieur Stahr, Vorsteher der ,,Eisenbahn-Bau-Inspektion Lüneburg" und Gutsbesitzer Burmester als Gutsvorsteher des Gutsbezirkes Horn, Gemeindevorsteher von Seedorf: ,,Infolge der Verfügung des Herrn Regierungs-Präsidenten vom 30. Juli hatten sich die unterzeichneten Commissare heute nach Dahlenburg begeben, um einige an der Bahn Lüneburg-Wittenberge belegene Wegeübergänge, deren Abschlußeinrichtungen eisenbahnseitig abgeändert werden sollen, zu besichtigen." (59)
Bei der Besichtigung der Wegeübergänge entschieden die Herren bei Station 204,43 den Übergang nur mit einem Drehkreuz zu schließen, da die grade Linienführung der Strecke eine ,,gute Übersichtlichkeit" gewährleiste. Bisher ,,sicherte" eine Zugschranke, von der ,,Wärterbude 70" betrieben, den Übergang. Die Bahndirektion beabsichtigte, diesen "Wärterposten" einzuziehen.
Gegen eine weitere Maßnahme, die Handschranke bei Station 204,89 im Gutsbezirk Horn nach ,,Einziehung des Wärterpostens" durch eine Zugschranke zu ersetzen, die vom Wärterwohnhaus, das 418 m entfernt lag, zu bedienen war, protestierte Burmester. Er sah eine ,,Gefährdung des Verkehrs", da diesen Weg viele Wirtschaftsgespanne benutzten.
Man entschied gegen den Einwand mit dem Hinweis, die Übersichtlichkeit zu garantieren durch Beseitigung von Bäumen und Anlegen niedrig gehaltener Hecken, sowie die Entfernung der Wärterbude, die bis zum Abbruch einen weißen Anstrich erhalten sollte, ,,damit die auf der südlichen Rampe befindlichen Personen u. Gegenstände sich auf dem hellen Hintergrunde besser abheben". (60)
Die Bahnmeisterei Lüneburg stellte P1äne vom Bahnhofsgebäude zur Verfügung, leider keine Unterlagen über die Vorverhandlungen betr. Trassenführung und über Dahlenburger Stationsvorsteher. Dietrich Marquardt, seit 1953 in Dahlenburg stationiert, gab dankenswerter Weise Auskünfte über die Situation des Bahnhofs.
Bis zum 1. Mai 1955 war die Bahnlinie eine Hauptbahnstrecke mit eigenständigen Stationen. Nach 1955 unterstanden die Stationen zwischen Leitstade und Wendisch-Evern der Station Dahlenburg, die ein Bundesbahnbetriebsinspektor verwaltete. Eine eigene Bahnmeisterei überprüfte die technischen Einrichtungen dieser Strecke bis 1968. Letzter technischer Leiter war Oberinspektor Walter Schirm, vor ihm Heinrich Seismann, davor Grammes und Güde.
Zwecks Kostensparung wandelte man 1955 den Hauptbahnbetrieb in einen Nebenbahnbetrieb um, richtete in den Stationen Agenturen ein, die mit Privatleuten besetzt wurden und unterstellte den Bahnhof Dahlenburg der Bundesbahnverwaltung Lüneburg.
In den siebziger Jahren begann man mit der Kündigung der Vertragsagenten und baute damit die Möglichkeit ab, an den ehemaligen Stationen landwirtschaftliche Erzeugnisse zu verladen. Die Station Dahlenburg besitzt noch diese Möglichkeit.
Als Stationsvorsteher wirkten zwischen 1945 und 1970 Heinrich Eggers, Wilhelm Roseland und Alfred Koss.
Die Bahnstrecke Lüneburg-Wittenberge, die auch als Wirtschaftsweg zur Erschließung der Ostheide diente, die die Verbindung nach Berlin und Mitteldeutschland herstellte, wurde unterbrochen durch die Zonengrenze und sank damit zur Bedeutungslosigkeit herab. Nur eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Teile könnte hier eine Änderung bewirken.
Die Kreisbahn
Zwischen 1896 und 1922 fuhr eine Kleinbahn, eine Verbindungsstrecke, vom Staatsbahnhof zwischen den Feldern von Gut Horn und Lemgrabe durch Dahlenburg nach Bleckede mit einer Haltestelle an der alten Schule.
Schon 1892 stand der Plan über den Bau der Bleckeder Kreisbahn fest. Sie sollte den Kreis Bleckede erschließen und an das öffentliche Verkehrsnetz anbinden. Die Trasse verband Staatsbahnhof Dahlenburg an der Strecke Lüneburg-Wittenberge mit Gut Horn, Flecken Dahlenburg, Horndorf, Tosterglope, Schiering, Barskamp, Göddingen, Nindorf, Bleckede, Garze, Karze, Brackede, mit einer Spitzkehre nach Garlstorf, Wendewisch, Jürgenstorf, Lüdersburg, Echem an der Strecke Lüneburg-Büchen.
Um diese Linienführung gab es heftige Auseinandersetzungen, zumal der Kreistag Lüneburg in einer Verhandlung vom 17. April 1894 protokollierte: ,,Eine vom hiesigen land- und forstwirtschaftlichen Verein niedergesetzte Kommission hat beantragt, zu den Vorarbeiten einer Kleinbahn von Bleckede über Neetze, Lüneburg, Amelinghausen nach Munster, Kreis Soltau, die nötigen Geldmittel zu bewilligen. Es ist dabei auf das lebhafte Interesse des ganzes Kreises an einer solchen Bahnanlage und auf deren außerordentliche Vorteile hingewiesen worden."
Der Kreis Bleckede lehnte den Antrag ab. Am 31. Mai 1894 genehmigte der Kreistag Bleckede den Bau der Bahnlinie Dahlenburg-Bleckede-Echem. (61)
Für die Linienführung der Kleinbahn und für die Haltestelle mußten einige Bürger Land abtreten, dieses geschah durch ein Enteignungsverfahren. Schneidermeister Burmeister erhob als Vormund der Kinder des verstorbenen Schmiedemeisters Heyden Einspruch.
27. August 1896:
,,Für Schmiedemeister Heydens Erben erscheint Schneidermeister Burmeister als Vormund.
Abgetreten 3 ar 90 qm.
Schätzertaxe 1,20 M a qm u. 20 % Zuschlag für Wirtschaftserschwerung."
Der Vormund beantragte, daß das Grundstück als Bauplatz angesehen werden sollte, zumal Angebote bestanden, z. B. von Tischlermeister Johann Meyer, der für den Morgen 2000 M geboten hat. Der Landrat Schneider fand den Baugrund ungeeignet, und die Schätzer Hofbesitzer Krumstroh, Oldendorf und Gemeindevorsteher Saucke, Tosterglope, schätzten den Wert auf 3120 M, obwohl das Grundstück eine Moorschicht von 3 Fuß Tiefe aufwies. Zudem forderten die Pächter Moser und Schuhmacher Warnecke eine Entschädigung, da sie ,,aus dem nicht abgetretenen Teile des Pachtlandes keinen Ertrag gezogen hätten". Der Landrat wies die Forderung ab mit dem Hinweis, daß das Land bereits abgeerntet gewesen sei.
Die Enteignungskommission lud Burmeister als Vormund und die Witwe Heyden zu einem Termin bei Gastwirt Ohlmeyer ein. Witwe Heyden und Schneidermeister Burmeister erklärten, daß außer den 6 Kindern keine weiteren Erben vorhanden wären. Sie bestätigten, daß ,,3 ar 90 qm in den Besitz der Eisenbahn übergegangen sei seit dem 7. August 1895". (62)
Landrat Schneider gab in diesem Zusammenhang an den Enteignungskommissar Regierungsrat von Ellerts bekannt, daß beim ,,freiwilligen Verkauf der Schubertschen Grundstücke in Dahlenburg ein Preis von 660 Mark pro Morgen erzielt worden ist" und daß diese Grundstücke mindestens ebenso gut wären. Schließlich einigte man sich, und so teilte der Bezirksausschuß am 2. Juli 1898 den Eigentümern der abgetretenen Pariellen mit, welche Entschädigungen ihnen zustünden:
|
,,Name |
abgetretene Fläche |
Entschädigungssumme Gesamtsumme | |||
ha |
ar |
qm |
|||
Napp, Lohgerber |
Dahlenburg |
54 |
16,20 M | ||
Ernst Harms, Schugmacher |
Dahlenburg |
1 |
60 |
54,40 M | |
Louis Masson, Gastwirt |
Dahlenburg |
1 |
62 |
55,08 M | |
Wilhelm Rieckens, Stellmacher |
Dahlenburg |
36 |
13,68 M | ||
des Schuhmachers C. Dau, Ehefrau |
Dahlenburg |
4 |
3 |
153,14 M | |
Schmiedemeister Heydens Erben |
Dahlenburg |
3 |
90 |
551,60 M | |
Zulage für Wirt-schaftserschwer-nisse |
" (63) | ||||
Auch der Schulvorstand trat Land zum Bau der Kleinbahn ab und verkleinerte dadurch den Schulhof.
Der höchste Beamte der Kleinbahn wohnte in Bleckede, Lokomotivführer, Heizer und Zugführer sorgten für den Bahnbetrieb, koppelten beladene Wagen an und leere Güterwagen ab und verbilligten dadurch die Betriebskosten. Fahrkarten verkaufte der Zugführer bei seinen Kontrollgängen bzw. an den Haltestellen.
Zum Wagenpark gehörten nach Inbetriebnahme 4 Lokomotiven, 6 Personen- und 20 Güterwagen. Die Spurbreite betrug 75 cm, die Länge der Strecke von Dahlenburg-Bleckede-Echem 48 km. Sonntags beförderte die Bahn 650 Personen und an den Wochentagen 250 Personen pro Monat und an den Tagen, an denen Schweinemarkt abgehalten wurde, noch einmal 600 Personen.
Anfangs beleuchtete man die Wagenabteile mit Kerzen, später mit Ollampen und ab Oktober 1906 elektrisch durch Akkumulatoren, geheizt wurde mit Preßkohle.
Am 18.12.1895 erschien im ,,LA" folgender Artikel: ,,Dahlenburg, 17. Dezember 1895. Mit dem heutigen Tag hat unsere Kleinbahn den Betrieb eröffnet. Doch auch schon Betriebsstörungen sind eingetreten, da von dem um 5 Uhr nachmittags von hier nach Bleckede fahrenden Personenzug gleich außerhalb des Ortes ein Personenwagen entgleiste. Nach etwa einstündiger mühsamer Arbeit gelang es, den Wagen wieder aufs Gleis zu heben. Langsam bewegte sich der Zug dann weiter, nachdem er vorsichtshalber das Material, das zur Hebung des Wagens nötig gewesen war, aufgeladen hatte, um, falls noch eine zweite Entgleisung an dem Abend auf dieser Strecke stattfinden sollte, dieses sofort bei der Hand zu haben und nicht erst, wie hier geschehen, solches teilweise suchen zu müssen. Überhaupt schienen die Züge mit Entgleisungen bedacht. Gestern entgleiste der Elfuhrzug, der die Festgäste nach Bleckede beförderte, auf der Strecke vom Staatsbahnhof nach hier kurz vor der neuen Brücke. Ein gleiches Schicksal passierte den Festgästen auf der Heimfahrt, in dem gestern abend der Zug bei Tosterglope nochmals entgleiste. Es haben deshalb schon mehrere Personen das Omnibusfuhrwerk wieder in Benutzung genommen." (64)

Entgleisungen fanden auch weiterhin statt, und doch benutzten Kirchgänger und Ausflügler das neue Verkehrsmittel gerne. Die Landwirte verfrachteten Kartoffeln, Zuckerrüben und Vieh mit der Kleinbahn und konnten andere Güter, wie z. B. Stein- und Braunkohle auf diesem Wege schnell empfangen.
Hin und wieder kam es vor, daß in den Ortschaften das Gleis blockiert war, weil Kühe zwischen den Schwellen grasten oder Erntewagen standen. Doch diese Hindernisse störten kaum den Verkehr, da die Höchstgeschwindigkeit 20 km/Std. betrug und Verspätungen einkalkuliert waren. 1904 weihte man die neue Strecke Bleckede-Lüneburg ein.
Bis 1910 lag der Bahnbetrieb in den Händen der Firma Lenz u. Co., die beide Bahnanlagen gebaut hatte. Danach übernahm der Kreis selbst die Betriebsführung, zumal die Einnahmen beträchtliche Überschüsse brachten.
Zu Beginn des 1. Weltkrieges plante man, die Schmalspur in eine Normalspur umzuwandeln. Es fehlten jedoch die Mittel, da auch die Überschüsse infolge ansteigender Betriebskosten sanken. Im Interesse der Verkehrssicherheit waren umfangreiche Baumaßnahmen fällig, die der Kreis nicht selbst aufbringen konnte. Großes Interesse an der Umrüstung der Strecke Lüneburg-Bleckede hatte das Reichsmarineamt, das in der Nähe des Hafens Bleckede Ölbunker errichtete. Da man höhere Zuschüsse erwartete, willigte der Kreistag in die Umspurung der Strecke Bleckede-Lüneburg ein, und man begann mit den Baumaßnahmen 1917, die erst 1919 vollendet werden konnten. Der Betrieb auf der Schmalspurbahn Bleckede-Dahlenburg wurde eingeschränkt im Krieg wegen knapper Kohlenzuteilung. Die Lohn- und Materialkosten stiegen an, so daß die Einnahmen nicht mehr die Ausgaben deckten, und ein Defizit entstand. Eine Überprüfung ergab, daß auf der Strecke Bleckede-Dahlenburg bis zum 31.12.1921 täglich nur ein Zugpaar, mittwochs und sonnabends 2 Zugpaare verkehrten. Nach Untersuchungen von Ulrich Schader beförderte die Bahn auf dieser Strecke zuletzt täglich nur ca. 17 Personen und 10 t Güter, so daß die Stillegung der Linie folgte. Am 11. Mai 1922 schrieb die Zeitung: ,,Dahlenburg, 8 Mai. Mit den Aufbrucharbeiten des Gleises auf der Kleinbahnstrecke Dahlenburg-Bleckede ist nunmehr vom Staatsbahnhof Dahlenburg begonnen. Das Material wird vorläufig nach Bleckede überführt." (65)